Jungfernfahrt mit Nostalgie

Hauptversammlung des Vereins historischer Appenzellerbahnen AG2

(pd) Der Wagen mit der Bezeichnung A101, der am Samstagmorgen um 10.40 Uhr in einen Nostalgiezug eingereiht abfahrbereit im Bahnhof Biihler steht, stammt aus dem Jahr 1904. «Eine ein­heitliche Bahngesellschaft gab es da­mals noch nicht», erzählt der Präsi­dent des Vereins historischer Appen­zeller Bahnen (AG2), Alexander Bless. Die Strecken der heutigen Appenzeller Bahnen seien alle von separaten Gesell­schaften betrieben worden. Der Verein AG2 nimmt sich der Res­taurierung und der Erhaltung dieser Vorgängerbahnen an. Der Wagen A10! sei eine der aufwendigsten Restauratio­nen gewesen, erzählt Bless (s. Kasten). Während seiner Einsatzzeit auf der Li­nie St. Gallen - Gais - Appenzell sei er einige Male modernisiert worden. Dies erschwerte es, den Wagen wieder in den ursprünglichen Zustand von 1904 zu versetzen.

Zunächst ohne Originalpläne

Zudem war der Verein zu Beginn der Restaurierungsarbeiten nicht in Besitz der originalen Baupläne. Damit die Pläne auch für die Nachwelt erhalten bleiben, erfassten die Bahnfreunde sie digital.
Eine weitere Schwierigkeit stellten die Polster der Sitzbänke dar. Moderne Polster sind aus Schaumstoff, dieser sei jedoch zu wenig beständig, so Bless. «Bei den unterschiedlichen Temperaturen, denen der Kunststoff in einer Eisenbahn ausgesetzt ist, wird er zu schnell bröcklig». Deshalb suchte der Verein nach einem Handwerker, der Polster noch nach alter Manier herstellt. Fündig geworden sind die Eisenbahnfreunde in Konstanz. So konnten die Sitzbänke der ersten Klasse wie anno 1904 mit Spiralfedern und Pferdehaar gepolstert werden. Zwei dieser Sitzbänke wurden zusätzlich produziert und stehen nun zum Verkauf
«Ganz historisch korrekt ist der Wagen nicht», gibt Bless zu. Ein bisschen gemogelt habe man, indem man kleine Tischchen eingebaut hat. Da der Wagen aber vor allem für Events gedacht ist, bot sich das an.
«Der AI01 ist das perfekte Fahrzeug für eine Hochzeit», schmunzelt Alexander Bless. Tatsächlich: Beim Betreten des Wagens kommt sofort das 20er-Jahre Feeling auf. Man kann sich vorstellen, wie die reichen Geschäftsleute zur Zeit der aufblühenden Stickereiindustrie durch das Appenzellerland gereist sind.

HV nach der Jungfernfahrt

Die Jungfernfahrt des Wagens als ein Teil des «Gaiserbähnli»-Nostalgiezuges vom vorletzten Wochenende führte von Biihler nach Appenzell und wieder zurück. Anschliessend hielt der AG 2 seine Hauptversammlung im «Sternen» in Biihler ab. Grosse Diskussionen gab es kaum. Erwähnenswert sind die Finanzen: Die Restauration alter Eisenbahnfahrzeuge ist keine günstige Ange­legenheit. Der A10I kostete beispielsweise rund 80000 Franken. Deshalb ist der Verein auch immer auf der Suche nach Sponsoren. Geld gab es unter anderem von der St. Gallischen Denkmalpflege und aus dem ausserrhodisehen Lotteriefonds.
Thomas Baumgartner, der Geschäftsführer der Appenzeller Bahnen war ebenfalls anwesend. In einer Rede betonte er die einmalige Rolle des Vereins bei der Erhaltung der historischen Bahnwagen. Zusammen mit den Appenzeller Bahnen plant der Verein zudem die Gründung einer Stiftung: «AB-Historie». Stiftungszweck ist die Erhaltung des historischen Erbes der Appenzeller Bahnen.

Revision des Nostalgiewagens A101

(pd) Der Wagen wurde 1904 für die Ast (Appenzeller Strassenbahn) als B3 17 in Betrieb genommen. Gebaut wurde er bei der SIG (Schweiz. In­dustriegesellschaft, Neuhausen) und war damals mit drei Achsen bestückt und hatte Dampfheizung und Dampf­bremsen auf zwei Achsen und Brems­zahnrad.
1909, 1923 und 1930 wurden diverse Anpassungen an Bremsen, Beleuch­tung und Heizung gemacht. 1931 wur­de die mittlere Achse entfernt. 1948 erfolgte eine Aussenrenovation mit neuer Verblechung und rahmenlosen Fenstern und Umzeichnung auf A101. 1966 wurde eine Hauptrevision mit verschweisster Verblechung und neuer Sesselpolsterung durchgeführt.

Umbau durch Industrieverein Bühler

Seit dem Umbau im Jahre 1995 zum Party wagen durch den Industrieverein Bühler sind 16 Jahre vergangen. Durch Witterungseinflüsse sind aussen etliche Schäden entstanden, die eine Re­paratur nötig machten. Wie gross die Schäden unter den Seitenblechen und der Dachhaut wirklich sind, war aber schwer abzuschätzen. Deshalb hat sich der AG 2 gemeinsam mit den Appenzell Bahnen entschlos­sen, eine gründliche Sanierung anzu[packen.
Nach Abklärungen bezüglich finanzi­ellem Aufwand beschloss der Verein AG2, den Wagen möglichst in den Zu­stand von 1904 zu versetzen.

Abbruch und Wiederaufbau

Im Januar 2011 begannen die Abbrucharbeiten im Depot Herisau. Beim Entfernen der Deckenverkleidung zeigte sich, wie marode der Wagen wirklich war. Der grösste Teil der Dachlängsträger und sämtliche Dachholmen mussten ersetzt werden. Am übrigen Grundgerüst mussten auch zeitintensive Reparaturen und Ergänzungen vorgenommen werden. Doch sollte möglichst viel von der alten Wagenstruktur erhalten bleiben. Dank den inzwischen erhaltenen
Die Sitzmöbel im Wagen A101 wurden originalgetreu gepolstert.
Plankopien aus der Entstehungszeit des Wagens konnte der ganze Innenausbau mittels CAD-Zeichnungen ge­plant werden und bleibt damit auch der Nachwelt erhalten.
Nach und wurden Wandverkleidungen, Fenstergläser, Bodenbelag, Heizkörper und die schöne, nach alter Väter Sitte komplett neu gefertigte Polsterbestuhlung montiert werden. Im Oktober 2016, nach beinahe sechsjähriger Arbeit wurde das Werk beendet.
Der AG 2 leistete schätzungsweise 6500 bis 7000 Arbeitsstunden. 15 Vereinsmitglieder waren an der Renovation beteiligt. Der finanzielle Aufwand beläuft sich auf 95 000 Franken, der durch Spenden von Stiftungen, vom Lotteriefonds und durch private Zuwendungen beglichen wurde. Die AB haben den Verein tatkräftig unterstützt.

Nostalgiefahrten

Nun steht der neu renovierte Wagen A101 zusammen mit dem Föfi und dem B119 für Extrafahrten wie Hochzeiten, Firmenanlässe und ähnliches wieder zu Verfügung. Der AG 2 sei allen, die tatkräftig mit­gearbeitet haben und ihn mit Ratschlägen und finanziell unterstützt haben zu Dank verpflichtet, schreibt der Verein.


Anzeige-Blatt, Dienstag, 9. Mai 2017

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