Ein Schiffsmotor auf Schienen

Museum Appenzeller Bahnen und Verein AG2 laden am Sonntag zum Tag der offenen Tür

Rolf Rechsteiner

 «Die Appenzeller Bahnen haben rekordverdächtig viele historische Fahrzeuge», sagt Alexander Bless, Präsident des Vereins AG2, der sich zum Ziel gesetzt hat, diese zu restaurieren und wieder auf die Schiene zu bringen. Diesmal verkehrt der Dieseltriebwagen BCFm 2/4 56 zwischen Appenzell und Wasserauen – ein schokoladenbraunes Ungetüm mit sensationellem Innenleben: Eingebaut ist ein veritabler Dampfschiffs-Dieselmotor, der über einen Generator Strom liefert für die Fahrt und die Beleuchtung.

Der Kohlepreis stand Pate

Woher die Idee stammt, ihn zu bauen, weiss Willi Müller, Präsident des Museumsvereins Appenzeller Bahnen. Nach dem 1. Weltkrieg sei während der Weltwirtschaftskrise die Kohle für die Dampflokomotiven fast unerschwinglich gewesen. Mit günstigerem Diesel sei man dem Problem ausgewichen, bevor 1933 die Elektrifizierung kam. Ab diesem Zeitpunkt sei das Fahrzeug nur noch sporadisch eingesetzt worden – etwa für Direktfahrten zwischen Herisau und Wasserauen. Die Säntisbahn (Appenzell- Wasserauen) fuhr nämlich mit anderer Spannung als die Appenzeller Bahn. Auch bei Stromausfällen leistete der Triebwagen gute Dienste. Der seltene Einsatz habe ihn in gutem Zustand gehalten, freut sich Willi Müller.
Inzwischen wurde sein ganzer Unterbau, das Fahrwerk also, auf Vordermann gebracht. Der Fahrgast staunt bestimmt über das Innenleben: Polstersessel in der 2. Klasse, Holzbänke in der dritten, das Raucherabteil doppelt so gross wie der Nichtraucher; sogar eine Toilette ist drin im Gegensatz zum Rollmaterial, das kommen wird. Dahinter tuckert und pufft der Dieselmotor. Ihm bei der Arbeit zuzuschauen sei garantiert ein Erlebnis, sagt Müller.

Polsterklasse

tl_files/inhalte/News und Presse/Oeffentliche News/Stempler.jpgGewaltigen Aufwand haben die beiden Vereine auf sich genommen, um den Personenwagen A101 (Baujahr 1904) in den Originalzustand zu versetzen. Er weist 19 Sitzplätze auf in einer Qualität, die ihresgleichen sucht. Anhand von Plänen der SBB, die auch solche Wagen besass, wurde die Bepolsterung nachgebaut von einem ungarischen Polsterermeister, der in Konstanz arbeitet. Er sei als einziger bereit gewesen, nach damaliger Methode mit Metallfedern und Rosshaar zu polspolstern, und das erst noch zu einem Preis, der Freude an alter Handwerkskunst verriet und Herzblut dazu. Verwendet wurde – dies ist ein kaum wahrnehmbarer Kompromiss – ein nicht brennbarer Veloursstoff, wie es heute Vorschrift ist. Der elegante Wagen kann für Hochzeiten und private Feiern gemietet werden.
Willi Müller sagt, die Wagen der Jahrhundertwende seien eigentlich noch vom Kutschenbau her inspiriert. Man habe einen Holzkasten mit Blech verkleidet und ihm ein schienentaugliches Rollwerk verpasst. Die ersten Erfahrungen der Restaurateure hätten denn auch gezeigt, dass man nicht nach heutiger Technik millimetergenau arbeiten darf. «Diese alten Wagen müssen sich auf der Schiene verdehnen können», sagt er.

Museumswagen beim Depot

Direkt beim Depot Wasserauen ist ein Personenwagen der neueren Generation abgestellt, doch hat auch er schon siebzig Jahre auf dem Buckel. Er wurde komplett ausgeräumt, um darin ein Museum mit wechselnden Sonderausstellungen einrichten zu können. Aktuell sind auf einer Landkarte sämtliche Bahnprojekte abzulesen, die ab 1870 bis zum 1. Weltkrieg im Appenzellerland geplant wurden. Die meisten wurden nicht realisiert, so etwa die Fortsetzung der Säntisbahn bis hinauf zum Säntisgipfel (daher der Name).

tl_files/inhalte/News und Presse/Oeffentliche News/A101_und_Praesidenten.jpgDer Schwerpunkt der aktuellen Sonderausstellung liegt beim Schwendetal mit seinen schmucken Bahnhöfen und Depots. Daneben sind Gerätschaften aus dem Bähnlerumfeld zu bewundern.

Reinschauen: Der Dieseltriebwagen verkehrt ab 10.47 Uhr stündlich ab Appenzell und ab 11.28 Uhr von Wasserauen zurück. Der Eintritt ins Depot Wasserauen und in den Museumswagen ist gratis. Parallel dazu bietet die Ebenalpbahn Wildkirchliführungen an, und es werden zu jeder vollen Stunde Ausflugsfahrten im historischen Schnauzen-Postauto (Marke Saurer) von Weissbad nach Brülisau durchgeführt.

Bilder: Rolf Rechsteiner

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